Barrieren abbauen? Na klar… aber bitte auch in der digitalen Welt!

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Unter »Barrierefreiheit« können sich die meisten Menschen inzwischen etwas vorstellen und kennen Beispiele aus dem Alltag: Aufzüge oder Rampen statt Treppen, um z.B. Rollstuhlfahrer:innen den Zugang zu höher liegenden Stockwerken zu ermöglichen oder Bodenleitsysteme, damit sich Menschen mit einer Sehbehinderung oder -beeinträchtigung an Orten wie Bahnhöfen orientieren können. Was aber bedeutet Barrierefreiheit übertragen auf die digitale Welt?

Das Thema ist gerade in aller Munde, nicht zuletzt, weil sich die Gesetzeslage hierzu 2025 verschärft und Unternehmen in Zugzwang bringt. In diesem Artikel gehen wir daher auf häufige Fragen zu dem Thema ein.

Was bedeutet digitale Inklusion?

Auf das Internet zuzugreifen und Technologie zu nutzen ist mittlerweile ein nicht mehr wegzudenkendes Hilfsmittel in unserem Alltag geworden. Bei der digitalen Inklusion geht es darum, Technologie für alle zugänglich zu machen und Barrieren so gut es geht zu beseitigen. Zwar profitiert jede:r von einer guten User Experience, aber für viele Menschen ist digitale Barrierefreiheit mehr als das - nämlich eine Notwendigkeit, um am Alltagsleben teilhaben zu können. Oft nutzen gerade behinderte Menschen das Internet intensiv und öfter als der Durchschnitt. Dabei kommen Hilfsmittel zum Einsatz wie Screenreader, die als Sprachausgabe und Navigationstool fungieren, oder Ausgabetools, die Texte in der Blindenschrift Braille ausgeben können. Auch aktuelle Smartphones haben bereits Tools und Apps integriert, mit denen die Bedienung erleichtert und Inhalte für möglichst viele Menschen zugänglich gemacht werden sollen.

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Warum ist Barrierefreiheit derart relevant?

Als Agentur haben wir den Anspruch, Produkte zu entwickeln, die die Bedürfnisse von User:innen erfüllen, ihr Leben etwas einfacher machen und den Anforderungen unserer Kund:innen entsprechen. Solange wir jedoch unsere eigenen Fähigkeiten als Grundlage nehmen, erschaffen wir Produkte für Personen eines bestimmten Levels an Medienkompetenz, an körperlichen Fähigkeiten, Sprachkompetenz und so weiter. Wir gehen meist davon aus, dass alle Sinne voll funktionsfähig sind und ignorieren damit einen großen Teil der Bevölkerung. Denn rund 10 Prozent der Menschen in Deutschland sind schwerbehindert und sogar ca. 30 Prozent der Menschen haben leichtere Einschränkungen oder sind aufgrund von Sprachbarrieren oder geringer Medienkompetenz auf einen einfachen Zugang zu digitalen Inhalten angewiesen.

 

Unser Ziel sollte es daher sein, Inhalte für alle Menschen zugänglich zu machen, sodass jede Person sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der digitalen Welt beteiligen kann. Der Abbau von Barrieren geht einher mit erhöhter Benutzerfreundlichkeit sowie einfacher und intuitiver Bedienung, die letzten Endes allen Nutzer:innen zugutekommen. So profitieren auch Menschen mit temporären oder situationsbedingten Einschränkungen wie einem Kind auf dem Arm, einer Handverletzung, schwierigen Lichtverhältnissen oder einer verlorenen Kontaktlinse von barrierearmen Inhalten, die die Bedienung mit einer Hand, kontrastreiche Darstellung oder ein Heranzoomen an Texte ermöglicht.

Was besagt das neue Gesetz, das 2025 kommt?

Am 28. Juni 2025 tritt die EU Richtline European Accessibility Act, auch EAA genannt, in Kraft. Anders als bei einer EU-Verordnung findet eine Richtlinie nicht automatisch in den Mitgliedsländern Anwendung. Die einzelnen Länder müssen zur Umsetzung eigene Gesetze erlassen, die dann als rechtsverbindlich gelten. In Deutschland ist dies das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), ein 23 Seiten langes Gesetz mit 38 Paragrafen. Es bringt eine Reihe von Anforderungen mit sich, die sich speziell auf die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen in der Europäischen Union beziehen.

Barrierefreiheit ist kein neues Thema. Schon seit 2021 sind alle öffentlichen Stellen in Deutschland zur barrierefreien Gestaltung ihrer Websites, Dokumente und Apps verpflichtet. Mit dem Inkrafttreten des BFSG wird nun aber auch die Privatwirtschaft verpflichtet.

Grundlage zur Umsetzung des BFSG ist die EU Norm EN 301 549, eine europaweit gültige Standardnormierung basierend auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) mit dem AA-Standard. Die WCAG sind der internationale Standard für die Gestaltung von barrierefreien Internetangeboten. Sie werden veröffentlicht von der WAI (Web Accessibility Initiative) des W3C (World Wide Web Consortium) und bestehen aus 12 Richtlinien, die den 4 Prinzipien robust, wahrnehmbar, bedienbar und verständlich zugeordnet sind.

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Für wen gilt das Gesetz? Betrifft es nur Websites oder auch andere Digital-Angebote wie bspw. App oder Newsletter?

Das BFSG betrifft Unternehmen, die mehr als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von über 2 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf über 2 Millionen Euro beläuft und die in § 1 Absatz 2 und § 1 Absatz 3 des BFSG aufgelistet sind und/oder einen Onlineshop oder Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbieten und nutzen.

Zu den unter das Gesetz fallenden Produkten und Leistungen gehören zum Beispiel:

  • Websites
  • Mobile Anwendungen
  • Elektronische Ticketdienste
  • Reiseinformations-Dienste
  • Selbstbedienungsterminals
  • Mobiltelefone
  • Geldautomaten
  • Computer und Betriebssysteme
  • Bankdienstleistungen
  • Elektronische Kommunikationsdienste
  • E-Books
  • E-Commerce

Die EAA ist auch für digitale Inhalte relevant, da jede Website, Anwendung und jedes digitale Dokument, die diese Dienste bereitstellen, mit der EAA konform sein muss.

Wie geht es jetzt weiter?

Die verbleibenden zwei Jahre bis zur Durchsetzung der EAA geben Unternehmen etwas Vorlaufzeit, ihre digitalen Inhalte auf die neue Gesetzlage vorzubereiten.

Die Implementierung digitaler Barrierefreiheit vermeidet nicht nur Rechtsstreitigkeiten, sondern erhöht auch die Anzahl potenzieller Kunden, die auf die Inhalte zugreifen können. Damit dieser Wandel jedoch rechtzeitig stattfinden kann, muss ein Verständnis dafür vorhanden sein, was digitale Barrierefreiheit ist und wie sie umgesetzt wird.

Natürlich variiert die Komplexität je nach Projekt, grundsätzlich empfehlen wir Unternehmen jedoch, nachträgliche Adaptionen nicht zu unterschätzen. Je früher die Themen mitgeplant und -gedacht werden können, desto effizienter können sie implementiert werden. Hierbei beraten und unterstützen wir gerne, z.B. mit konkreten Handlungsempfehlungen zum Abbau von Barrieren.

Wie kann man tiefer in das Thema Barrierefreiheit einsteigen?

Das Beseitigen von Barrieren fördert die individuelle Selbstbestimmung der Menschen, stärkt den sozialen Zusammenhalt und ist somit ein wichtiger Schritt für eine inklusive und zugängliche Welt.

Um sich einen ersten Eindruck der Themenfelder der WCAG Richtlinien zu verschaffen, hat die Aktion Mensch Tipps zur Barrierefreiheit im Web zusammengestellt:

https://www.einfach-fuer-alle.de/wcag2.0/uebersetzungen/Web-Accessibility-WCAG-2.0-at-a-Glance/

Weitere Informationen zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gibt es unter
https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.html


Details zur WCAG Richtlinie und der W3C Initiative gibt es hier
https://www.w3.org/WAI/standards-guidelines/wcag/

Noch Fragen?

Dieser Artikel verschafft einen ersten Einblick in das Thema Digitale Barrierefreiheit. Da er aber noch längst nicht alle Fragen abdeckt, werden wir in unserem Blog weiter zum Thema informieren. Watch this space!