Gefühle im Job...?!

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Emotionale Intelligenz ist in aller Munde und viele sind davon überzeugt, dass sie für Einzelpersonen zu den wichtigsten Fähigkeiten der Zukunft gehört und bei Unternehmen wesentlich zu deren Erfolg beiträgt. Doch wie so häufig gibt es hier viele Vorurteile, Missverständnisse und Diskrepanzen zwischen Wirklichkeit und hehren Idealen. In diesem Artikel geht es daher um Gefühle im Job, ihre Berechtigung und was das alles mit Geschlechterrollen zu tun hat.

Gefühle beeinflussen die Arbeitsleistung

Nach einigen Theorien handelt es sich bei arbeitenden Menschen in erster Linie um Arbeitskräfte – Subjekte, die ihre Arbeit zuverlässig erledigen, idealerweise auf gleichbleibendem Niveau. In der Realität sieht das meist ein bisschen anders aus: Ich behaupte, die allermeisten Menschen bemühen sich durchaus, diesem Ideal nahezukommen. Aber aus zahlreichen Gründen klappt es häufig nicht so gut, sich den ganzen Arbeitstag gleichmäßig zu konzentrieren. Einer dieser möglichen Gründe dafür sind Gefühle jedweder Art.

Gefühle lassen sich in diesem Zusammenhang in zwei Arten unterteilen:

  • Gefühle, die im Job entstehen, zum Beispiel Freude über eine Beförderung oder Wut über ein misslungenes Projekt
  • Gefühle, die aus dem Privatleben „mitgebracht“ werden, zum Beispiel Trauer über eine kürzlich verstorbene Person oder Vorfreude auf ein Date

Diese Gefühle können positiv oder negativ konnotiert sein, mitunter auch beides. Der Umgang mit Gefühlen und inwieweit sich diese auf die Arbeitsleistung auswirken, ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Prinzipiell lässt sich jedoch festhalten, dass es den meisten Menschen gerade bei starken Gefühlen schwer fällt, sich durchgängig zu konzentrieren.

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Offener Umgang mit Gefühlen während der Arbeitszeit?

Nun steht die Frage im Raum, welcher Umgang mit solchen Gefühlen im beruflichen Umfeld angemessen ist. Während bei beruflich bedingten Gefühlen noch halbwegs Konsens besteht, dass diese während der Arbeitszeit im Team „geklärt“ oder zumindest angesprochen werden, hängt dies bei privat bedingten Gefühlen häufig davon ab, wie privat oder intim das Verhältnis innerhalb der Belegschaft ist.

Laut einer LinkedIn-Studie vermuten 41 Prozent der befragten Personen auf dem Business-Netzwerk, dass es im beruflichen Umfeld nicht gern gesehen wird, wenn wir unsere Gefühle offen zeigen – obwohl 64 Prozent denken, dass dies den Teamzusammenhalt fördern und die Produktivität steigern könnte. Denn viele von uns haben die Erfahrung gemacht, dass die Anspannung nachlässt, wenn wir uns mit Kolleg:innen darüber austauschen, was uns beschäftigt.

Trotzdem gehen Frauen* zum Weinen auf die Toilette. Die Managerin Magdalena Rogl beschreibt in ihrem Buch MitGefühl, dass gesellschaftliche Rollenbilder eine starke Rolle bei Emotionen im beruflichen Kontext spielen, obwohl Menschen unabhängig vom Geschlecht über die gleichen Emotionen verfügen. Rogl plädiert für eine geschlechtsunabhängige emotionale Intelligenz, also dafür, seine Gefühle bewusst wahrzunehmen, zu verstehen, zu reflektieren und anschließend sinnvoll zu nutzen – sie also nicht ungefiltert auf die Welt loszulassen. Sie bestätigt die These, dass es effektiver ist, sich auch mit negativen Gefühlen auseinanderzusetzen, statt sie zu verdrängen.

Emotionserkennung zahlt sich aus

Ich bin auf eine weitere interessante Studie gestoßen, die besagt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, Emotionen zu erkennen, und dem Jahreseinkommen gibt. Menschen, die gut darin sind, Gefühle bei anderen Personen (korrekt) zu erkennen, verdienen mehr Geld, da sie aufgrund dieser Fähigkeit in sozialen Situationen geschickter agieren können.

Es scheint also so, als wäre das ein oder andere im Wandel. Das Bewusstsein, dass es sinnvoll sein könnte, mehr Gefühle im professionellen Kontext zuzulassen als bisher, ist vorhanden. Nicht nur, weil es den einzelnen Personen dadurch besser geht, sondern weil gesamte Teams von diesem Vertrauensverhältnis profitieren und bessere Arbeit leisten. Menschen, die im Emotionskontext versiert sind, profitieren schon jetzt davon. So lassen sich auch die Vorhersagen erklären, dass die emotionale Intelligenz eine Schlüsselqualifikation der nächsten Jahre sein wird.

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Wie lässt sich Raum für Gefühle am Arbeitsplatz schaffen?

Nichtsdestotrotz ist die Realität in vielen Unternehmen eine andere. Cholerische Führungskräfte sind dem Hörensagen nach weit verbreitet, und das gegenseitige Vertrauen, dass private Informationen vertraulich behandelt werden, fehlt vielerorts.

Führungskräfte haben hier eine Schlüsselrolle inne – wie moderne Führung aussehen könnte, haben meine Kolleg:innen etwa hier und hier beschrieben. Ein zentraler Bestandteil ist es, Werte vorzuleben; insbesondere ein Thema wie Gefühle lässt sich nicht verordnen, sondern nur dadurch etablieren, dass Führungskräfte selbst Gefühle (mit)teilen.

Zudem ist es wichtig, derartige Angebote rein freiwillig zu halten. Das mag im ersten Moment selbstverständlich klingen, aber angesichts dessen, dass positives Denken beispielsweise vielerorts zu toxischer Positivität verkommen ist, neigen wir Menschen wohl häufig dazu, in Extreme zu verfallen. In einem Klima der toxischen Positivität ist dann auch kein Platz fürs Äußern negativer Gefühle.

Sicherlich wird der Übergang von weniger zu mehr Gefühlen am Arbeitsplatz erst einmal holprig verlaufen. Womöglich verhelfen uns auch Nachwuchskräfte langfristig zu einem offeneren Umgang mit Gefühlen; hier beschreibt etwa eine Millenial-Managerin, wie sie sich von Kolleg:innen der Generation Z in Bezug auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben inspirieren ließ. Zudem ist emotionale Intelligenz im professionellen Umfeld für viele ein neues Thema – daher hilft wie bei allen neuen Themen eine große Portion Gelassenheit, Offenheit und Freundlichkeit. Und das Bewusstsein, dass emotionale Intelligenz etwas ist, das wir gemeinsam entwickeln und lernen werden.

 

* Ich verwende Sternchen, um darauf hinzuweisen, dass die Begriffe Männer und Frauen in diesem Artikel nicht als biologisches, sondern als soziales Geschlecht verwendet werden, und es mehr als nur zwei Geschlechter gibt.

autor.

Autorenbild Hanna Hartberger

Beim Jahr 2017 merkte man schnell, dass es politisch denkwürdig werden würde. Hanna wusste, dass sie sich nicht nur wegen berühmter Persönlichkeiten daran erinnern würde. Sie entschied sich nämlich im selben Jahr für einen neuen Karriereschritt und wechselte zu arsmedium ins Content Management.

Wieder zurück in der fränkischen Heimat lebt sie sich hier nun bei verschiedensten Online-Projekten aus. In einem früheren Leben hat sie zwar Buchwissenschaft und Germanistik studiert, aber die Verlockungen des World Wide Web faszinierten sie schon im Studium, bis sie ihnen im Laufe ihres Arbeitslebens völlig erlag. Die zertifizierte Online-Marketing-Managerin ist sowieso der Ansicht, dass zwischen Internet und Verlagswesen keine allzu großen Unterschiede bestehen – guter Content hat in beiden Bereichen die besten Chancen, sich durchzusetzen. Getreu diesem Motto kennt sich Hanna mit Content-Erstellung jeglicher Art aus und stellt den neuen Content am liebsten auch gleich online. Selbst wenn die x-te Änderungsrunde einer Seite diskutiert wird, kann sie das nicht aus der Ruhe bringen, denn:

»Nichts ist beständiger als der Wandel.«
Heraklit, vielleicht auch Charles Darwin

Auch das private Interessenspektrum unserer Allrounderin ist schier unendlich: Es reicht von Fotografie bis Menschenrechte, von Feminismus bis Low-Carb-Backen, von Serien-Binge-Watching bis Bloggen. Und natürlich möchte sie irgendwann die Weltherrschaft erringen.

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