STRATEGIE

OnlyFans: Influencer oder Intimfluencer?

ZUR ÜBERSICHT

OnlyFans macht da weiter, wo andere aufhören. Auch wenn sich das soziale Netzwerk nicht explizit als Erotikportal versteht, so gibt die Plattform viel mehr Spielraum bei der Erstellung von Inhalten als Facebook, Instagram und Co. Gegen eine Abo-Gebühr bekommt man neben exklusiven Einblicken in das Leben und Schaffen von »Bachelor in Paradise-Promis« und Influencern auch pornografische Bilder und Videos. OnlyFans hebt Social Media auf das nächste Level – man kann seinem Idol noch näher kommen, ja, fast intim werden, wenn man eine Abo-Gebühr bezahlt. Im selben Atemzug wird der moderne Feminismus erwähnt. Trägt die Plattform zu einem sexuellen und feministischen Empowerment bei oder ist OnlyFans eher ein Einstieg in die Pornofalle, vor allem für junge Menschen?

Was ist OnlyFans?

OnlyFans ist eine Online-Plattform, bei der man ein öffentliches Profil erstellen kann. Zu sehen ist dann aber noch nichts. Erst gegen Geld werden Videos und Fotos exklusiv für die zahlenden Follower freigeschaltet. Dieses Abo für ein Profil wird monatlich abgerechnet und muss wieder gekündigt werden. Der monatliche Preis für ein Abo wird vom Creatorin/Creator selbst vorgegeben. Je nach Vorlieben kann man gegen eine Extra-Gebühr zusätzlichen Content erwerben wie z. B. das Girlfriend Package, private Nachrichten oder auch simplen Fuß-Content. OnlyFans behält 20 %. Grundsätzlich ist das aber eine Plattform, die es ermöglicht, dass Fans ihren Influencer unterstützen und dafür exklusive Inhalte bekommen - ähnlich wie beim Anbieter »Patreon«.

Ciao Tabu, hallo schnelles Geld

Die Plattform erfindet das Rad nicht neu, sondern ist die logische Konsequenz der Fan-Star-Beziehungen, die durch Social Media entstanden sind. Manche Influencer und Fans sind bereit, einen Schritt weiter zu gehen. Selbst wenn den Influencern nur ein kleiner Teil ihrer Gefolgschaft auf OnlyFans nachzieht, kann sich daraus eine lukrative Verdienstmöglichkeit entwickeln. Dieser finanzielle Aspekt steht auch im How-to auf der OnlyFans Website klar im Fokus – hier kann man sich als Influencer in Sekundenschnelle eine grobe Hausnummer für den möglichen Verdienst errechnen. Hierfür muss der User nur seine Followerzahl auf Instagram o. Ä. angeben sowie die geplante OnlyFans-Abogebühr – schon spuckt die Seite einen Rahmen der zu erwartenden Einkünfte aus. Laut Erklärung liegt der Berechnung die Annahme zugrunde, dass sich 1 % bis 5 % der bestehenden Follower auf anderen Plattformen auch für die Bezahl-Inhalte auf OnlyFans anmelden. Der angegebene Betrag bezieht sich dabei lediglich auf Abonnement-Zahlungen, die Einnahmen aus tips und paid messages kommen also noch on top. Default wird ein Rechenbeispiel angezeigt, in dem jemand mit 10.000 Followern auf Insta und einem OnlyFans-Abopreis von 14,99 $ mit Einnahmen zwischen 1,499 $ and 7,495 $ pro Monat rechnen kann. Klingt nach einer Menge Geld für wenig Arbeit, oder?

Alles für die Follower

Das Problem ist: Durch die Ähnlichkeit in Aufbau und Funktionsweise zu Mainstream-Plattformen wie Instagram oder Twitter und die hohen Verdienstmöglichkeiten könnte die Hemmschwelle für junge Menschen sinken, sich des Geldes wegen auszuziehen. Nie war es einfacher, mit nackter Haut schnelles Geld zu verdienen. Gerade junge Menschen, die tagtäglich auf den sozialen Medien mit der Zurschaustellung von Reichtum konfrontiert werden, könnten so dem Glauben verfallen, sich einen ähnlichen Lifestyle durch die Aufgabe ihrer Intimsphäre leisten zu können. Schließlich kann jeder Nacktbilder von sich machen. Die Einstiegshürden bei einem sozialen Netzwerk sind auf jeden Fall geringer als bei einschlägigen Pornoseiten. 

Interview: Passen OnlyFans und Feminismus zusammen?

Ich persönlich finde es fragwürdig, ob die Plattform einen Beitrag für die Gleichberechtigung leistet, oder dafür, die Objektifizierung von Frauen aufrechtzuerhalten. Sie gibt Frauen die Möglichkeit, sich frei zu entfalten – aber ist sie deshalb wirklich feministisch? Kann ich als Mann das wirklich zu 100 % beurteilen? Ich wollte wissen, wie die Frauen aus meinem Umfeld darüber denken – und habe im Rahmen eines Interviews das Gespräch mit meinen beiden Kolleginnen Pauline und Christina gesucht. Wir unterhielten uns über die Entwicklung von Social Media im Allgemeinen und Einfluss bzw. Konsequenzen von OnlyFans im Speziellen.


Alex:

Ist OnlyFans der Beweis, dass Social Media uns inzwischen zum gläsernen Menschen gemacht hat, für den es im Internet keine Privatsphäre oder Tabus mehr gibt?

Pauline:

Ich denke, dass OnlyFans auf jeden Fall dazu beiträgt, dass die Privatsphäre im Internet geschmälert wird. Da die Plattform meiner Meinung nach vor allem junge Menschen dazu verlockt, sich leicht bekleidet oder sogar nackt zur Schau zu stellen. Viele sehen in der Plattform eine Möglichkeit, schnell und einfach an gutes Geld heranzukommen. Auch wenn jeder die Möglichkeit hat, frei zu entscheiden, welche Inhalte geteilt werden, werden viele Inhalte immer freizügiger.

Christina:

OnlyFans beweist auf jeden Fall, dass Tabus von früher immer mehr entkräftet werden. (Öffentliche) Nacktheit wird durch solche Entwicklungen »gesellschaftsfähiger« und verliert das Schmuddel-Image. Das finde ich zunächst nicht verwerflich – Nudisten, die nackt wandern gehen, verurteile ich auch nicht. Solange sich die neue Freizügigkeit im Internet auf den Körper und nicht auf die sensiblen persönlichen Daten bezieht, sollte das jedem selbst überlassen sein. Aber natürlich nur im Rahmen des Gesetzes und im Einverständnis aller Beteiligten (ungefragte dickpics sind immer noch uncool).

 

Was denkst du, worauf der Hype von OnlyFans hauptsächlich basiert: Einfluss durch Influencer, leicht verdientes Geld oder Like- und Anerkennungssucht?

Pauline:

Ich denke bei OnlyFans resultiert der Hype zum größten Teil daraus, dass viele das leicht verdiente Geld dabei im Hinterkopf haben. Klar hat der Hype von OnlyFans durch Influencer begonnen, und da auch viele Models/Stars auf OnlyFans unterwegs sind, die die Nutzer in ihr Privatleben mit einbeziehen und exklusive Einblicke liefern, ist bestimmt auch dies für die Bekanntheit des Kanals entscheidend gewesen.

Christina:

Ich glaube, es ist eine Mischung. Viele Nutzer sind vermutlich über Influencer und den daraus entstandenen Hype auf OnlyFans aufmerksam geworden – und haben die Plattform als Möglichkeit für schnelles Geld ohne »richtige« Arbeit in ihrem Gehirn abgespeichert. Dass die sozialen Medien so verbreitet und beliebt sind, trägt natürlich auch einen großen Teil dazu bei, weil OnlyFans wie »das neue Instagram 2.0« daherkommt (und kommuniziert wird). Die Exklusivität der Inhalte triggert potenzielle Follower zudem psychologisch, weil sie nichts verpassen wollen. Dieselbe Mechanik sieht man ja aktuell bei der App »Clubhouse«.

 

Influencer haben gewissermaßen eine Vorbildfunktion, wenn sie in der Öffentlichkeit stehen. Viele Junge Menschen folgen ihnen, sehen zu ihnen auf und wollen ihnen nacheifern. Bei Influencern wird immer von Authentizität gesprochen. Ist es jedoch noch authentisch, wenn ein und dieselbe Person auf Instagram Nachhaltigkeit, Fitness oder Lifestyle vorlebt – auf OnlyFans aber gleichzeitig pornografische Inhalte veröffentlicht? 

 

Wie passen unschuldige Travel-, Fitness- oder Food-Influencer von Instagram mit ihren nackten OnlyFans-Profilen zusammen? Und was ist daran glaubhaft?

Pauline:

Wirklich zusammen passen sie nicht. Meiner Meinung nach sind das zwei verschiedene Welten. Natürlich gibt es Influencer, die OnlyFans nur nutzen, um exklusiveren und zusätzlichen Content zu liefern, der nicht auf Instagram ausgestrahlt wird. Wie beispielsweise, dass Food-Influencer ihre Follower zum Kochen mitnehmen und ihnen tiefere Einblicke geben. Aber sobald es um nackte Tatsachen geht und das nicht mit der Welt zusammenpasst, die auf Instagram vermittelt wird, wirkt das Ganze unglaubhaft.

Christina:

Ich glaube, OnlyFans wurde zunächst ja nicht als Porno-Social-Media gegründet – sondern einfach als Bezahl-Plattform für exklusive Inhalte. Also zum Beispiel für Fitness-Influencer, die auf Instagram ihr Workout-Video anteasern und die volle Version erst nach Bezahlung für ihre OnlyFans-Abonnenten zur Verfügung stellen. Das funktioniert aber bestimmt nicht so gut wie nackte Tatsachen: Pornos gibt’s zwar auch gratis, aber da sind die Darsteller dann eben nicht Influencer, mit denen man sich identifiziert und eine Art »Beziehung« aufgebaut hat. Ich persönlich finde es nicht authentisch, wenn ein braver Travel-Influencer plötzlich für Geld blankzieht. Wenn der Content zuvor auch schon eher erotisch war, dann passt es schon eher.

 

Führt OnlyFans und der Hype drumherum dazu, dass junge Menschen Erotik und Pornografie als neues Normal der Einnahmequellen ansehen?

Pauline:

Es wird auf jeden Fall zugänglicher und einfacher, mit Pornografie in Berührung zu kommen. Ich denke, viele vor allem junge Menschen werden OnlyFans als zusätzliche Einnahmequelle verstehen, mit der es leicht ist, Geld zu verdienen. Das Ganze ist von überall und egal zu welcher Uhrzeit möglich, wann Content erstellt wird, zählt nicht, sondern: welcher Content. Dies macht die Entwicklung der letzten Jahre deutlich, dass Social Media für viele Influencer zur Haupteinnahmequelle wird – oder zumindest ein guter Nebenverdienst.

Christina:

Der Hype spiegelt meiner Meinung nach die Entwicklung im Mindset jüngerer Generationen ganz gut wider: Die 40-h-Woche mit 9-to-5 wird zunehmend unattraktiver, Selbstverwirklichung und -bestimmtheit stehen im Fokus der Karrierepläne, zudem wird Social Media als Berufszweig immer anerkannter. OnlyFans setzt genau da an und erscheint den Nutzern deshalb als einfache, rentable Einnahmequelle. Nacktheit ist heutzutage ja sowieso kaum noch ein Tabuthema. #freethenipple

 

Sollte für junge Menschen mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden, was Risiken oder Konsequenzen des Blankziehens im Internet sein könnten?

Pauline:

Ja, die Frage ist nur, wie dies bei ihnen ankommt. Ich denke, dass es vor allem heutzutage weit verbreitet ist, den Körper zu zeigen – sich leicht bekleidet in der Öffentlichkeit zu präsentieren und zwar nicht nur auf der Straße oder im Schwimmbad. Das Ganze passiert auch bei Instagram oder anderen sozialen Netzwerken. Bilder im Bikini auf Urlaubsfotos, da fragt keiner mehr nach und überlegt, ob der Chef sich das anschaut. Dabei sollte man sich ins Gedächtnis rufen, dass das Internet nichts vergisst. Auch wenn die Annahme besteht, dass die Inhalte auf OnlyFans exklusiv sind: Für diejenigen, die sich dort anmelden, ist das eben nicht die Realität. Denn sobald sich jemand auf OnlyFans angemeldet hat, können die Inhalte weitergeteilt oder verbreitet werden. Denn diese Inhalte sind nicht sicher, auch wenn es für manche User vielleicht den Anschein macht.

Christina:

Definitiv. Dazu gehört meiner Meinung nach aber nicht nur OnlyFans im Speziellen, sondern im Allgemeinen der Umgang mit Nacktfotos. Ich finde: Lieber zweimal nachdenken vorm Nudes-Senden. Anonymität und Sicherheit sind online nie gegeben.

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Glaubst du, Content Creator auf OnlyFans haben eine niedrige Hemmschwelle, später in die »richtige« Pornografie-Szene einzusteigen?

Pauline:

Der Start in die »richtige« Pornografie-Szene ist mit einigen Inhalten, die auf OnlyFans geteilt werden, bereits gemacht. Da auch auf OnlyFans zum Teil pornografische Inhalte geteilt werden, wird es vielen Menschen wahrscheinlich auch leichter fallen, diese für beispielsweise mehr Geld auf anderen Plattformen zu teilen. Allein die Hemmschwelle, überhaupt solche Inhalte zu teilen, wird – beispielsweise durch die richtige Bezahlung und vor allem bei jüngeren Nutzern – sinken, da für sie das wirklich leicht verdiente Geld im Fokus steht. Wenn dann nur vom Porno-Produzenten das richtige Angebot kommt, wird dann noch »Nein« gesagt?

Christina:

Ja, da bin ich mir sicher. In einer Doku über OnlyFans meinte eine Creatorin, sie habe als Grundsatz, nie ihre Genitalien zu zeigen – außer die Bezahlung stimmt. So denken sicher viele Nutzer*innen und sind somit »anfälliger« für die Versprechungen eines Porno-Produzenten vom großen Geld und Ruhm. Bei vielen jungen Nutzer*innen spielt sicher auch Naivität eine große Rolle.

 

Im Kontext der Privatsphäre wird bei weiblichen Influencern immer der Feminismus als Grund zur Nutzung von OnlyFans ganz vorn mit angeführt. Zu den meist genannten Argumenten gehören:

  • Frauen können außerhalb von OnlyFans nicht frei über die eigene Sexualität und den eigenen Körper bestimmen.
  • Körperliche wie sexuelle Übergriffe an Frauen werden verharmlost, den Frauen wird daran sogar oft die Schuld gegeben.
  • Frauen werden im Job selten als ernstzunehmende Konkurrenz angesehen.
  • In vielen Ländern und Religionen werden Frauen ihre Menschenrechte genommen.
  • Frauen verdienen viel weniger als Männer.

Mir ist hier teilweise der Zusammenhang mit OnlyFans nicht ganz klar. Zudem klingt Selbstermächtigung durch Bestätigung von Männern für mich vor allem im feministischen Kontext paradox. Daher haben mich die Fragen rund um dieses Thema besonders interessiert:

 

Findest du, die Plattform fungiert wirklich als Zeichen des sexuellen Empowerments oder ist das nur ein gutes Argument, um nackten Content zu rechtfertigen?

Pauline:

»Puh, gute Frage. Schnelle Pornofalle.« Das war meine erste Antwort auf diese wirklich schwierige Frage. Es hat lange gedauert, den Versuch zu starten, hier meine Gedanken in Worte zu fassen. Natürlich hat hier jeder, egal ob Mann, Frau oder wie sich die Person eben definiert, die Möglichkeit, frei zu entscheiden, welche Inhalte in welcher Regelmäßigkeit zu welchem Zeitpunkt geteilt werden. Das führt in jedem Falle zu mehr Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Dennoch sehe ich hier stark den finanziellen Aspekt, der dem Ganzen im Wege steht.

Christina:

Darüber habe ich lange nachgedacht. Ich kann die Argumentation von Feministinnen zwar verstehen, dass sie auf der Plattform selbstbestimmt Content produzieren und teilen können – ohne einen Agenten oder Produzenten im Nacken. Ob das jedoch schon ausreicht, um als »empowerment« durchzugehen … in meinen Augen nicht. Ich persönlich finde es allerdings cool, dass bei OnlyFans die ganze Bandbreite der Sexualität ohne Schubladendenken repräsentiert wird: Mann, Frau, trans, zierlich, plus-sized, behaart, glattrasiert, jung, alt, hetero, queer, Cosplay, Fetisch und so weiter.

 

Ist die Reduzierung auf den weiblichen Körper nicht eher ein Rückschritt in der Geschlechtergerechtigkeit statt Feminismus?

Pauline:

Das lässt sich meines Empfindens schwer beantworten, da es bei OnlyFans nicht nur um Frauen geht. Auch Männer oder diverse Personen können hier ihre Inhalte teilen und frei darüber entscheiden, was sie wann, wie oft und in welcher Form posten. Um explizit auf Frauen zurückzukommen: Klar kann eine Frau dort teilen, was sie möchte, dennoch verkauft sie auf eine meiner Meinung nach unschöne Weise ihren Körper, das machen Männer auf dieser Plattform aber genauso. Ich empfinde es daher nicht als Rückschritt der Geschlechtergerechtigkeit, sehe aber auch ganz klar, dass Feminismus auf einem anderen Verständnis beruht und seine Wurzeln schon viel früher hat – das ist mit OnlyFans einfach nicht zu vereinbaren.

Christina:

Weder noch. OnlyFans ist nicht explizit für Frauen, jeder*r kann Content Creator werden und wird dann im gleichen Maß sexualisiert. Ich glaube, der Unterschied zu anderen Plattformen ist: Die Frauen setzen sich auf OnlyFans aktiv der Objektifizierung durch andere aus und zielen darauf ab – sie erhalten sogar Geld als Gegenleistung. Im Alltag sind wir Frauen es gewohnt, in jeder Situation und auf jeder Plattform gegen unseren Willen sexualisiert zu werden. Oft auch noch abwertend und beleidigend. Da die User auf OnlyFans jedoch für den Content bezahlen, sind die meisten Rückmeldungen wohl positiv und feiern den nackten Körper. Body Positivity statt (ungefragtes) Body Shaming quasi. Das ist für mein Verständnis absolut kein Rückschritt – aber eben auch kein Feminismus.

 

Glaubst du, wir können als Gesellschaft, als Angestellte einer Digitalagentur oder auch als Privatpersonen etwas von den »Intimfluencern« lernen? Wenn ja, was?

Pauline:

Hier muss ich ehrlich zugeben, dass ich nicht glaube, dass man etwas von Personen lernen kann, die pornografische Inhalt gegen Geld auf sozialen Netzwerken zur Schau stellen. Was natürlich interessant ist: Es geht immer um die Beziehung zwischen Content Creator und User, das fällt schon bei Instagram auf und ist auch auf OnlyFans deutlich zu erkennen. In Reportagen habe ich festgestellt, dass manche Nutzer sogar Gute-Nacht- und Guter-Morgen-Bilder gegen Geld an ihre Follower schicken, doch wie weit geht das Ganze? Und wie schaffen sie es, dass der User dafür bezahlt?

Christina:

Der wichtigste Faktor zwischen Creator und Nutzer ist der Dialog. Die Abonnenten wollen eine Beziehung aufbauen, z. B. durch persönliche Nachrichten. Viele Content Creators bieten daher »Girlfriend Packages« an, bei denen sie einen bestimmten Zeitraum lang wie ein fester Partner kommunizieren und auf das Gegenüber eingehen. Das beweist, wie wichtig es in jedem Kontext ist, den User direkt anzusprechen und seine Gedanken, Anliegen in den Fokus zu rücken statt einfach nur verallgemeinerten Content rauszuballern. Auch interessant: Es könnte sich lohnen, zu beobachten, wie die Influencer ihre Conversion forcieren. Mit welchen Teasern locken sie ihre Follower auf OnlyFans? Können wir daraus neue Parallelen fürs Marketing ableiten?

 

Auf der Startseite von OnlyFans wird nicht explizit mit Nackt-Content geworben, sondern mit einer Sport-Influencerin, die ihr volles Workout-Video dort für ihre bezahlenden Follower postet. Vermutlich resultierend aus einem Video-Teaser, den sie zuvor auf Instagram gepostet hat. Auch Stars wie Cardi B nutzen die Plattform nicht für nackte Tatsachen, sondern um ihren Fans einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Michael B Jordan will mit seinem Account sogar Spenden für einen guten Zweck sammeln. Die Möglichkeiten sind also sehr breit gefächert. Dementsprechend könnten theoretisch auch Unternehmen, Consultants, Innovatoren und Co. OnlyFans als Plattform für ihre Zwecke nutzen – und z. B. Inhalte wie Workshops oder exklusive Einblicke hinter die Kulissen auf den Gratis-Kanälen anteasern und die kompletten Inhalte nur gegen Abobezahlung verfügbar machen. 

 

Denkst du, OnlyFans könnte auch für Unternehmen interessant werden? Oder ist das Image als Porno-Plattform light schon zu tief im Gehirn der Gesellschaft verankert?

Pauline:

Meiner Meinung nach kann es für Unternehmen, die einen seriösen und professionellen Auftritt bzw. Image pflegen, nicht interessant werden. In meinen Kopf ist deutlich das Image als Porno-Plattform verankert. #sorrynotsorry

Christina:

Kommt ganz aufs Unternehmen an. Für Produzenten von Sextoys, Kondomen o. Ä. bieten sich da bestimmt einige interessante Möglichkeiten – vielleicht sogar für Kooperationen mit den Intimfluencern. Dem Ottonormal-Unternehmen hingegen würde ich definitiv von OnlyFans abraten. Die allgemeine Mechanik des Anteaserns von Bezahl-Content eignet sich zwar für viele Unternehmen und Branchen, vor allem im Hinblick auf die Wissensvermittlung in Form von Workshops, Webinaren, Whitepapers etc. – das ist aber definitiv keine Innovation. Solche Angebote sieht man überall, auch ohne OnlyFans.

Fazit

Der private Rahmen, der auch Teil des Konzepts ist, verleitet im Zweifel Influencer*innen dazu, Dinge zu tun, die man im analogen Raum evtl. nie tun würde. Was spannend ist – auf der einen Seite objektifizieren sich Frauen und Männer können sie kaufen. Auf der anderen Seite sagen sie, es sei feministisch. Das könnte auch daran liegen, dass man es unter dem Deckmantel des Feminismus positiv labelt und nicht mit dem Porno-Hammer durch die Tür kommt. Ganz klar, jede*r hat das Recht, mit solchem Content Geld zu verdienen, aber man muss abgrenzen zwischen denjenigen, die sich bewusst dafür entscheiden, expliziten Content zu publizieren, und denjenigen, die aufgrund einer Hype-Wirkung Dinge tun, weil es andere vormachen. Trotzdem muss es verdammt gut überlegt sein, pornografischen Content online zu stellen.