STRATEGIE

Position beziehen – Just do it

ZUR ÜBERSICHT

In einem älteren Artikel habe ich hinsichtlich der Positionierung von Marken in gesellschaftspolitischen Dingen drei Fragen gestellt:

  • Wird Werbung und Markenkommunikation zukünftig stärker im politischen Kontext gedacht?
  • Werden konsumorientierte Zielsetzungen verstärkt mit einer gesellschaftlichen Wertevermittlung kombiniert, um Identifikation zu schaffen?
  • Lägen in einer derartigen Entwicklung eher Chancen oder eher Risiken für Marken?


Den Artikel habe ich vor knapp drei Jahren geschrieben. Die Themen von damals beherrschen auch heute noch die öffentliche Diskussion. Allerdings ist – speziell »dank« einiger politischer Agitator… Akteure – der Ton wesentlich schärfer und radikalisierter. All die Trumps, Orbans, Erdogans, Bachmanns, von Storchs, Höckes, Gaulands und andere Alpha-Lemminge haben es durch ihre »Die gegen Uns«-Rhetorik geschafft, Ängste und Sorgen sowie Hass und Wut bei ihren Gefolgslemmingen zu fördern. Dieser Hass schlägt immer häufiger in offene Gewalt um.


Die Zeit des Schweigens ist vorbei, wenn man einen unwiderruflichen Werteverfall verhindern will. Das gilt für jeden einzelnen Menschen, und das gilt auch für Marken.

Der Hashtag #wirsindmehr macht den Versuch deutlich, das Schweigen zu durchbrechen und die große Mehrheit der Stille sichtbar zu machen. Es geht dabei nicht darum, sich für etwas einzusetzen. Es geht darum sich gegen Gewalt, Hetze und Hass zu positionieren. Als klares Zeichen, dass dies keine Lösung sein kann – egal wie die Probleme aussehen.


Ein Marktführer hat hier jetzt ein enorm starkes Zeichen gesetzt. Nike wirbt mit Colin Kaepernick und positioniert sich eindeutig gegen den amerikanischen Präsidenten und somit auch gegen Rassismus. Moralisch ist das richtig. Wirtschaftlich ist das »unvorsichtig«, wie es einige Analysten formulierten.
Die Aktie von Nike brach zwischenzeitlich um über 2,5% ein und im Netz formierte sich Widerstand. Der Hashtag #NikeBoycott war schnell geboren und Artikel des Herstellers wurden aufmerksamkeitsstark im Netz verbrannt oder zerstört.

contentbild-ac-nike_kampagneNike Anzeige mit Colin Kaepernick | © 2018 Nike


Neben der moralischen Notwendigkeit muss ich auch aus der Perspektive des Brand-Building Nike nur zu dieser Entscheidung gratulieren. »Just do it« – das ist der Charakter dieser Marke. Das ist ihre Positionierung und mit dieser Kampagne hat sich Nike ein extrem hohes Maß an Authentizität gesichert. Das wird sich langfristig rechnen, dessen bin ich mir sicher. Ich stelle sogar die Hypothese auf, dass Kaepernick zu einem ähnlich ikonischen Werbemotiv für Nike werden kann, wie es Muhammad Ali für Adidas ist – zumindest im Heimatmarkt von Nike.


Ich wünsche mir, dass viel mehr starke Marken aufstehen und sich offen und klar positionieren. Nicht politisch, aber moralisch. Wenn sich von Automarken bis Zahnpastamarken die Unternehmen mit all ihrer Reichweite und Kreativität nicht raushalten, sondern kommunikativ die Stimmung im Lande beeinflussen. Im Sinne eines Miteinanders, das sicher auch dem Konsum zu Gute kommt.

Wir sind mehr! Viel mehr. Wir sind die relevante Zielgruppe. Und es ist einfach das Richtige, sich in dieser Frage zu positionieren. Es ist eine Frage von Verantwortung, die gerade in Zeiten politischer Verunsicherung immer wichtiger wirkt. Ich bin der Meinung, dass Marken es sich einfach nicht mehr erlauben können, sich rauszuhalten.

Und es scheint bereits zu beginnen. Neben Nike habe ich auf LinkedIn auch ein Zitat vom Infineon-CEO Reinhard Ploss gefunden:

»Wir können stolz sein auf die Werte, für die Deutschland seit Jahrzehnten steht: Achtung der Würde aller Menschen, Demokratie, Freiheit jedes Einzelnen und Weltoffenheit. Diese haben wesentlich zum Wohlstand in Deutschland beigetragen. Trotz aller Probleme geht es den meisten Menschen hier so gut wie noch nie. Statt aber gemeinsam anzupacken und dieses Land mutig voranzubringen, wachsen bei Vielen Hass, Neid und der Ruf nach Abschottung. Dagegen müssen wir uns stemmen.«


Word! Das gilt für Menschen. Und es gilt für Marken. Stemmen wir uns dagegen. Wir sind mehr!

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Ergänzung/Aktualisierung


Nike profitiert anständig

Wie bereits von uns vermutet, zahlt es sich für Nike offenbar aus, sich mit einem klaren Statement in die gesellschaftliche Diskussion zu positionieren.

Wie Deutschlands größte Finanzredaktion jüngst berichtete:

»Das Risiko von Nike wird anscheinend belohnt. So wurde gemeldet, dass die Onlineverkäufe zwischen Sonntag und Mittwoch vergangener Woche (Labour-Day-Wochenende) um 27 % anstiegen. Im Jahr zuvor hatte es in der gleichen Zeitspanne einen Rückgang um 2 % gegeben. Damit scheinen auch die Zweifel im Markt an der Kampagne ausgeräumt. Hier hatte es vor wenigen Tagen noch Kursverluste gegeben, die nun zur Gänze wieder ausgeräumt sind. Mehr noch. Die Aktie von Nike steuert bereits ein neues Allzeithoch an.«

Seht her und lernt daraus, werte Marken. Folgt dem Beispiel und setzt eure Kraft ein. Wir Konsumenten werden dann unsere Kraft bei euch einsetzen…