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Wann wird »Alice im Wunderland« Wirklichkeit? Über die Entwicklung virtueller Realität …

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Virtual Reality, Augmented Reality und 360 Grad Video sind in aller Munde. Nur was ist das alles, was kann ich damit machen und wozu ist es gut? Wird es die Welt verändern? Wo wird uns der technische Fortschritt hinführen? Diese Fragen stelle ich mir, seit die VR-Sache Anfang 2016 so richtig Fahrt aufgenommen hat.

Eigentlich stolperte man immer mal wieder über die künstlich generierte Welt, ohne sich ausführlich damit zu beschäftigen. Es wirkte einfach abgefahren, als sich Neo in die Matrix einloggte oder John Anderton in Minority Report vor einer holografischen Wand Daten hin und her schob. Ebenso im Film The 13th Floor, der die Auswirkungen von virtueller Realität auf das menschliche Bewusstsein thematisierte. Alles nur Film, weit weg der echten Realität. Dass wir im Jahr 2017 nun am Anfang dieser fiktiven Vision stehen, fasziniert mich.

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Nur schöner Schein? Futuristische Brillen in den 90ern

Anfang der 90er Jahre wurde schon einmal ein Ausflug in die virtuelle Realität unternommen. Diese Versuche sind mit heute nicht zu vergleichen. Man sprach zwar von Virtual Reality, aber eigentlich war es nur eine nicht zu Ende gedachte Idee, die wahrscheinlich auch am Stand der damaligen Technik scheiterte. Es gab überdimensionierte Brillen, die futuristisch daherkamen, aber außer dem Wow-Effekt enttäuschten sie im Gebrauch. Eine Immersion, also ein Eintauchen in eine virtuelle Umgebung, war nicht mal annähernd möglich.

Nach dem gescheiterten Versuch, die virtuelle Realität massentauglich zu machen, verschwand sie wieder einmal in der Schublade. Es war die nicht geglückte Weiterentwicklung einer Idee, die in der Mitte der 60er Jahre ihren Anfang genommen hatte. 

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Ivan Sutherland, Pionier der Virtual Reality

Grundlage für die Entwicklung der Virtual Reality waren die Simulatoren zur Kampfflieger-Ausbildung im Zweiten Weltkrieg und auch die Computergrafik-Forschungen der frühen 60er Jahre. Der Wissenschaftler Ivan Sutherland prognostizierte, dass es der Computerwissenschaft eines Tages gelingen würde, virtuelle Erfahrungen zu konstruieren, die auch die Sinne überzeugen würden. Er glaubte – zu Recht, wie wir heute wissen – an das schier unendliche Potenzial der Computer, mathematische Konstruktionen in bewohnbare, lebensechte Welten transformieren zu können. Anders ausgedrückt: Ivan Sutherland war überzeugt davon, Lewis Carrols »Alice im Wunderland« in die Realität umsetzen zu können.

Sutherland hatte einen Gedanken, den man eine veritable Ingenieurs-Vision und Allmachtsfantasie nennen könnte: ein Display, das nicht nur die damals üblichen Liniengrafiken, sondern einfach alles darstellen können sollte. Es gelang ihm tatsächlich, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen. 1965 erschien ein Aufsatz von ihm, das diese wegweisende technische Erfindung beschreibt: das Head Mounted Display. Dieses Gerät ist die zentrale Darstellungstechnik der Virtual Reality und damit auch der informatischen Immersion. Sie simuliert Umgebungen in 3D und in Echtzeit so täuschend echt, dass man denkt, man wäre tatsächlich in ihnen. Sensorik, Berechnung und Darstellung waren wichtige Komponenten dieses Geräts, die geradezu meisterhaft verknüpft worden waren. Die Bedeutung seiner Erfindung erkannte auch Sutherland selbst: »Mit entsprechender Programmierung könnte dies das Wunderland darstellen, in das Alice marschiert.«

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Das Schwert des Damokles

Bis zur Umsetzung sollte es noch 3 Jahre dauern: 1968 präsentierte Ivan Sutherland das erste echte Head Mounted Display. Er nannte es »Sword of Damocles«: Ein Apparat, der so schwer war, dass er an der Decke befestigt werden musste, von »Mobil« konnte hier keine Rede sein.

Eigentlich handelte es sich beim »Sword of Damocles« nicht um Virtual Reality, sondern um Augmented Reality: Dem Nutzer des Apparats wurden geometrische Formen ins Sichtfeld projiziert, die sich synchron zu den Bewegungen des Kopfes mitbewegten. Die stereoskopische Anzeige wurde über seitlich des Ohrs platzierte Kathodenröhren erzeugt, die über beschichtete Spiegel direkt in die Augen des Trägers projiziert wurden.

 

Youtube-Video:


Und heute? Die Visionen bleiben groß …

Bis dieses Wunderland darstellbar ist, wird noch viel Zeit vergehen. Die Technik steckt gerade noch in den Kinderschuhen, denn alle großen Dinge brauchen Zeit. Der erste Computer war anfangs eine riesige Maschine mit Kathodenstrahlröhren, bis der Transistor erfunden, die Leistung stetig verbessert wurde und uns das Smartphone brachte. Kurzum gesagt, bis zur Matrix oder dem Star Trek Holodeck ist es noch ein langer Weg. Bis dahin müssen die Headsets oder Systeme kleiner, leichter, mobiler, günstiger, und leistungsfähiger werden, damit auch die breite Masse angesprochen wird. Das Problem der Fortbewegungsart »Bewegung im Raum« muss ebenfalls noch gelöst werden.

Wenn es für diese technischen Einschränkungen irgendwann die Lösung gibt, dann kann man mühelos ins Wunderland marschieren. Ob diese Vorstellung letztendlich eine gute Vorstellung ist, das finden wir im nächsten Blogbeitrag heraus.