STRATEGIE KONZEPT

Das Frauenbild in der Werbung – früher und heute

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Frauen in der Werbung – ein beliebtes, aber immer noch schwieriges Thema. Eigentlich geht es ja gar nicht um die Frauen, sondern um die Produkte, die beworben werden. Es hat sich auch schon vieles gebessert in den letzten Jahrzehnten. Trotzdem kann man sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass es eher um die sexy Frau neben dem Produkt geht als um das Produkt selbst. Aber von vorne.

Good old times?

Viele schätzen die Werbeanzeigen aus den 50ern wegen ihres Vintage-Styles. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Sprüche wie »Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen, und was soll ich kochen?« bereits damals grenzwertig waren – schließlich waren Frauen und Männer seit 1949 gleichberechtigt vor dem Gesetz, was 1958 noch mal bestätigt wurde. Viele Werbeclips beschworen eine vermeintlich heile Welt herauf, die es schon damals in der Realität gar nicht mehr gab. Abhilfe schufen die Frauen selbst, als sie sich einige Jahre später im Rahmen der Frauenbewegung auch gegen stereotype und abwertende Darstellung in der Werbung einsetzten.

Sprung in die 2000er-Jahre: 2008 gab es einen Beschluss des EU-Parlaments, dass sexistische Klischees wie eine Frau am Herd nicht mehr erlaubt seien – zumindest in der Fernsehwerbung. Das wirft aus heutiger Sicht Fragen auf: Warum erst 2008? Warum nur Fernsehwerbung? Als Begründung führte das Parlament vor allem die Auswirkungen auf die Kinder auf, weil Werbung einen starken Einfluss auf Körperbild und Geschlechterrollen hat und die EU geschlechterspezifische Diskriminierung bekämpfen will. So weit, so richtig. Trotzdem wirkt der Beschluss, als wäre er mehrere Jahrzehnte zu spät gekommen. Auch wenn eine rechtliche Grundlage nie schadet.Contentbild_Frauenbild_1

Viel Lärm um nichts?

Wer denkt, das Problem mit der sexistischen Werbung sei heute nur noch marginal, dem sei die sog. Werbemelder*in empfohlen. Das ist nicht etwa die offizielle Beschwerdestelle vom Presserat, sondern die Meldestelle einer Organisation namens Pinkstinks, die sich gegen Stereotype und abwertende Frauenbilder stark macht. Hier finden sich nicht wenige Werbekampagnen, die teils erschreckend klischeehaft oder abwertend gestaltet sind. Bei der Werbemelder*in kann jede Person das einreichen, was sie für sexistisch oder stereotyp hält. Das wird dann nach festen Kriterien geprüft und hinterher kommentiert veröffentlicht, d.h. man bekommt eine direkte Rückmeldung. Es werden auch immer wieder einige Werbeanzeigen als »nicht zu beanstanden« eingestuft. Außerdem tritt Pinkstinks auf verschiedenen Wegen in Kontakt mit den Firmen der beanstandeten Werbung und versucht, diese für das Thema zu sensibilisieren.

Sensibilisierung finde ich an dieser Stelle ein gutes Stichwort. Denn es geht nicht (nur) darum, per Verbot sexistische Werbung zu verhindern. Es geht um das, was dahinterliegt. Das Frauenbild in der Werbung hängt stark vom Frauenbild der Gesellschaft ab, und das verändert sich nur langsam, wie auch diese ZDF-Doku zeigt. Es ist schwer, genderneutrale Werbung zu machen, wenn viele Menschen noch ganz anders denken. Trotzdem ist das hier ein klassischer Fall davon, dass die Mehrheit – sofern es überhaupt noch die Mehrheit ist – hier eben nicht Recht hat. Abwertung lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass viele Menschen nicht einsehen, dass sie negative Folgen für die Betroffenen hat.

Sind die Männer besser dran?

Selbstverständlich steht das Frauenbild in engem Zusammenhang mit dem Männerbild – je hilfloser die Frauen dargestellt werden, desto stärker werden die Männer präsentiert. Laut einer Studie der Stuttgarter Hochschule der Medien verabschiedet sich die Werbung aber immer mehr vom traditionellen Männerbild. Werbemänner tragen ihr zufolge heute weniger Anzüge und mehr legere Freizeitkleidung, sie sind öfter in der Küche zu sehen und werden weniger sexualisiert dargestellt als noch zehn Jahre zuvor. Auch die Dominanz oder Unterordnung in der jeweils dargestellten Situation nimmt ab, und der Großteil der Männer begegnet den Frauen in der Werbung gleichberechtigt.

Wie schafft man Emotionen im Jahr 2020?

Natürlich ist es längst an der Zeit, dass Menschen des dritten Geschlechts, nicht-binäre Personen oder auch einfach mal gleichgeschlechtliche Paare stärker repräsentiert werden. Oder eine abwertende Darstellung in der Werbung, wie auch immer sie konkret aussehen mag, abnimmt. Es ist ein beliebtes und nachvollziehbares Werbemittel, Sympathien für ein Produkt zu erwerben, indem man billige Lacher generiert oder ein gemeinsames »Feindbild« aufbaut. Schließlich will Werbung ja Emotionen schaffen. Nichtsdestotrotz bin ich der Ansicht, dass man das im Jahr 2020 auf genderneutrale und gleichberechtigte Art und Weise schaffen kann und auch können sollte. Aufsehen erregen um jeden Preis ist den Preis, den man immer öfter dafür zahlen muss, nicht wert. Unternehmen wie Lidl, Milka und True Fruits haben das in den letzten Jahren mit heftiger Kritik oder gar Shitstorms für ihre Werbekampagnen erfahren. Klar gibt es die Zyniker, die damit argumentieren, dass jede Art von Aufmerksamkeit gute Aufmerksamkeit ist. Aber in Zeiten von immer aufgeklärteren Verbraucher*innen ist es ein Spiel mit dem Feuer – wenn man Glück hat, vergessen die meisten Menschen den Skandal wieder, wenn man Pech hat, weichen sie auf Alternativprodukte aus. Dem Internet sei Dank ist das heutzutage einfacher denn je.

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Wie sieht Vielfalt statt Einfalt konkret aus?

Als konkreten Ansatzpunkt schlage ich mehr Vielfalt bei den Körperformen und Hautfarben der Models vor. Ob nun drei schlank-gephotoshopte fröhliche Frauen oder drei fröhliche Frauen, von denen eine schlank-gephotoshopt, eine normalgewichtig und eine Person of Color ist, durchs Bild laufen, fällt normalerweise nicht auf. Höchstens dann, wenn die Werbung so plump war, nur mit den Körpern der Frauen zu werben. Wenn eine halbwegs belastbare Werbeaussage dahintersteht, ist es egal, welche fröhlichen Frauen im Werbespot sichtbar sind. Schließlich empfinden wir auch Frauen, die nicht schlank-gephotoshopt sind, als attraktiv – Attraktivität setzt sich bei Frauen laut Studien aus vielen Kriterien wie reiner Haut, Proportionen wie in Kindergesichtern und vollen Lippen (ja, über unsere heutigen Attraktivitätsstereotype können wir durchaus streiten ...) zusammen. Die Figur ist nur ein Faktor von vielen und Models haben sowieso Übung darin, möglichst attraktiv zu wirken. Daher bin ich überzeugt davon, dass der Großteil der Konsument*innen diesen Unterschied in den meisten Kampagnen gar nicht bemerken würde. Und diejenigen, die ihn feststellen, fühlen sich zur Abwechslung mal ehrlich wahrgenommen.

Man könnte statt »versteckt« natürlich auch offensiv mit der Realität umgehen. Um noch ein paar weitere wild gesponnene Ideen in den virtuellen Raum zu werfen:

Wie wäre es zum Beispiel mit einem ehrlichen Vorher-Nachher-Bild bei der Damen-Rasierwerbung? Blitzblanke Beine, die sowieso schon perfekt aussehen, müssen nicht mehr rasiert werden. Eine authentische Darstellung würde hier allein deswegen Aufmerksamkeit erzeugen, weil derzeit niemand mehr daran gewöhnt ist, überhaupt Haare an weiblichen Beinen zu sehen. Die da übrigens völlig natürlich wachsen …

Bademode wäre meinem Dafürhalten nach ebenfalls eine gute Möglichkeit, das ganze Spektrum an Menschlichkeit zu zeigen – dicke und dünne Menschen, Männer, Frauen und Transmenschen, junge und alte Menschen. Das würde endlich mal der Realität entsprechen, denn schließlich geht die ganze Familie im Urlaub an den Strand, nicht nur die Teenagertöchter. Lacher generieren könnte man trotzdem, wenn man beispielsweise die Konfliktpotenziale eines Familienurlaubs darstellt. Eine mögliche Botschaft wäre dann, dass man sich trotz familiärer Auseinandersetzungen immer noch gut anziehen kann.

Was bringt die Zukunft?

Vieles davon ist sicherlich Zukunftsmusik, denn derzeit ist es immer noch schwierig mit der Darstellung von Menschen in der Werbung. Wahrscheinlich braucht es noch viel Geduld von Seiten der Aktivist*innen und weiteren Gegenwind, wenn wieder unsägliche Kampagnen veröffentlicht werden. Trotzdem glaube ich, dass langsam ein Bewusstsein dafür entsteht, dass manches einfach nicht geht. Und dass das auch richtig so ist. Denn es öffnet einen Raum für andere Ebenen des Storytellings, die wir bislang noch gar nicht wahrgenommen haben. Lasst sie uns entdecken! 

autor.

Autorenbild Hanna Hartberger

Beim Jahr 2017 merkte man schnell, dass es politisch denkwürdig werden würde. Hanna wusste, dass sie sich nicht nur wegen berühmter Persönlichkeiten daran erinnern würde. Sie entschied sich nämlich im selben Jahr für einen neuen Karriereschritt und wechselte zu arsmedium ins Content Management.

Wieder zurück in der fränkischen Heimat lebt sie sich hier nun bei verschiedensten Online-Projekten aus. In einem früheren Leben hat sie zwar Buchwissenschaft und Germanistik studiert, aber die Verlockungen des World Wide Web faszinierten sie schon im Studium, bis sie ihnen im Laufe ihres Arbeitslebens völlig erlag. Die zertifizierte Online-Marketing-Managerin ist sowieso der Ansicht, dass zwischen Internet und Verlagswesen keine allzu großen Unterschiede bestehen – guter Content hat in beiden Bereichen die besten Chancen, sich durchzusetzen. Getreu diesem Motto kennt sich Hanna mit Content-Erstellung jeglicher Art aus und stellt den neuen Content am liebsten auch gleich online. Selbst wenn die x-te Änderungsrunde einer Seite diskutiert wird, kann sie das nicht aus der Ruhe bringen, denn:

»Nichts ist beständiger als der Wandel.«
Heraklit, vielleicht auch Charles Darwin

Auch das private Interessenspektrum unserer Allrounderin ist schier unendlich: Es reicht von Fotografie bis Menschenrechte, von Feminismus bis Low-Carb-Backen, von Serien-Binge-Watching bis Bloggen. Und natürlich möchte sie irgendwann die Weltherrschaft erringen.

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