STRATEGIE

Influencer-Marketing: Lohnt sich das immer noch?

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Vergangenes Wochenende bat ich meinen Freund, vom Einkaufen eine Flasche Duschgel mitzubringen. Als er zurückkam, erzählte er mir ganz stolz von dem Dusch-Schaum mit Kokosduft, den er extra für mich gekauft hat, weil ich Kokos doch so gerne mag. Tags darauf halte ich die angepriesene Tube erstmals in der Hand und begutachte sie. »Bilou« heißt die Marke, eigentlich ein ganz süßer Name. Das Design ist relativ clean gehalten, hauptsächlich weiß mit verspielter Schnörkel-Schrift und der kleinen Illustration einer Trink-Kokosnuss. Ich stehe ja total auf Produkte mit ansprechendem Packaging.

Und dann lese ich: »Bibi loves you«. Da klingeln bei mir alle Alarmglocken. Ich habe nämlich irgendwann mal gelesen, dass diese YouTuberin Bibis Beauty Palace eine Kosmetik-Linie auf den Markt gebracht hat. Eine schnelle Recherche bestätigt meine Befürchtung: Ich wasche mich seit neuestem mit einem YouTube-Fangirl-Produkt aus Bibis Influencer-Schmiede.

Wie alt ist die Zielgruppe fürs Influencer-Marketing denn nun wirklich?

Ich kann den ganzen Hype um all die Dagis, Samis und Bibis einfach nicht nachvollziehen. Klar verstehe ich, wie diese Marketing-Sparte funktioniert – mich persönlich spricht sie allerdings kein bisschen an. Denn ich habe beim medialen Kontakt mit Influencern immer im Hinterkopf, dass dieser selfmade »Star« mich nur zu seinem eigenen Vorteil zum Kauf aktivieren will. Wenn meine Freunde oder Eltern mir ein Produkt empfehlen, greife ich hingegen zu, ohne zu zögern. Die letzten Jahre dachte ich immer, es wäre komisch, dass ich ausschließlich der Meinung von Leuten vertraue, die ihr Geld nicht (indirekt) durch meine Kaufentscheidungen verdienen. In Fernseh-Reportagen sahen die Bibi-Fangirls immer extrem jung aus, deshalb dachte ich: Mit 25 Jahren bin ich vielleicht einfach schon zu alt, um mich derart leicht beeinflussen zu lassen.

Nach kurzer Recherche stellte sich heraus: Das stimmt nicht. Influencer-Marketing spricht auch eine ganze Menge Erwachsener an. Denn laut einer aktuellen Studie des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) haben knapp ein Drittel der Befragten zwischen 25 und 34 Jahren bzw. knapp ein Viertel zwischen 35 und 44 Jahren schon einmal ein Produkt gekauft, weil ein Influencer es ihnen empfohlen hat. Ein ziemlich großer Anteil, wenn man beachtet, dass nicht einmal die Hälfte der 16- bis 24-Jährigen (um genau zu sein: 43 %) schon einmal erfolgreich influenct wurde – ich hatte deutlich höhere Zahlen für die junge Zielgruppe erwartet. Zusammengefasst:

»Fast jeder zweite Befragte unter 45 Jahren mit regelmäßigem Kontakt zu Influencern hat auch schon einmal deren Produkt gekauft.«

Und dabei haben über 70 % der Befragten nicht einmal ein Problem damit, dass YouTuber, Instagrammer und Co. mit diesen Produktempfehlungen (sehr viel) Geld verdienen.

Die Zielgruppe fürs Influencer-Marketing ist dementsprechend nicht zwingend im Schulalter, sondern demografisch breiter gestreut (zwischen 16 und 45 Jahre alt) – und eignet sich somit auch für Unternehmen, deren Zielgruppe jenseits der 25 oder gar 30 Jahre alt ist. Lediglich Firmen, deren Zielgruppe sich deutlich in Richtung Rente bewegt, sollten ihr Marketing-Budget anderweitig nutzen, wenn sie Erfolge sehen möchten.

Influencer-Marketing_Contentbild

Ist der Rummel rund ums Influencer-Marketing bald vorbei?

Seitdem ich selbst ein Influencer-Produkt mein Eigen nenne, habe ich viel über das Thema Influencer-Marketing nachgedacht und mir vor allem die folgenden beiden Fragen gestellt:

  1. Funktioniert Influencer-Marketing überhaupt noch, wenn Leute wie Bibi ihre eigenen Produkte bewerben statt andere Marken, die sie dafür mit Geld überschütten?
  2. Ist dieser Influencer-Hype jetzt langsam mal vorbei und ich kann wieder durch Instagram scrollen, ohne dass jeder zweite meiner Bekannten sich mit 200 Followern für einen Micro-Influencer hält und jedes Selfie mit »Werbung, da Markennennung« kennzeichnet?

Auf der Suche nach Antworten schaute ich mich zunächst auf Bibis YouTube-Kanal und Instagram-Channel um. Auf der Video-Plattform gehört sie mit 5,6 Millionen immer noch zu den ganz Großen, auf Instagram folgen ihr sogar 6,5 Millionen Menschen – ihre Marke bilou hat natürlich auch einen eigenen Insta-Kanal mit immerhin 1,6 Millionen Followern. Da es mir WIRKLICH zu anstrengend war, ein paar Bibi-Videos anzuschauen, um zu recherchieren, in welchem Verhältnis sie für sich selbst und für andere Marken influenct, habe ich mich stattdessen ihrem Instagram gewidmet. Schon im zweitaktuellsten Post geht es um irgendeine Kosmetik-Firma, von der man was gewinnen kann und außerdem noch 50 % Rabatt bekommt, wenn man irgendwas macht. Dann folgt ein Beitrag mit Werbung für bilou, dann ganz viele Posts ohne Influencerei und schließlich bewirbt Bibi eine Kinderwagen-Marke, später eine Möbelfirma, dann eine Hotelkette. Anscheinend funktioniert Influencer-Marketing für Unternehmen also noch genauso gut wie bisher, auch wenn die »Stars« parallel ihre eigene Marke promoten. Ich bekomme eher den Eindruck, dass Bibi ihre eigene Beauty-Linie mit genauso viel oder wenig Ehrgeiz anpreist wie alle anderen Unternehmen, für die sie bezahlte Werbung macht. Klar, wieso sollte sie auch aufhören, für Fremdfirmen zu arbeiten, wenn sie damit auch weiterhin Kohle verdienen kann?

Die Recherche zu meiner Frage, ob der Influencer-Hype bald endlich vorbei ist, führt zu einer regelrechten Gefühlsachterbahn: Obwohl der Spiegel Ende 2018 das Aus des Hypes prophezeite, sagen Branchen-Insider für 2019 das Gegenteil voraus. Insgesamt geht man davon aus, dass der Markt 2019 weiter deutlich wächst. Influencer werden immer professioneller, Partnerschaften zwischen Werbegesicht und Unternehmen werden langfristiger und auch so genannt Nano-Influencer werden beliebt.

Vom Hype zur Wissenschaft

Beim Stichwort Nano-Influencer musste ich erstmal nachlesen, was das nun heißen soll. Micro-Influencer waren wir zwar ein Begriff, aber Nano? In welcher Naturwissenschaft befinden wir uns denn hier? Gibt’s so viele von denen, dass man sie in so viele verschiedene Untergruppen einsortieren kann? Die Antwort ist ein klares Ja.

Anscheinend werden selbsternannte Influencer je nach Reichweite in mehrere Kategorien unterteilt:

  • Mega-Influencer: Promis, die man als klassische Testimonials kennt, mit zig Millionen Followern – oft aber mit minimaler Engagement Rate von 1 - 5 %.
  • Macro-Influencer: Influencer mit Followern im sechs- bis siebenstelligen Bereich und einer Engagement Rate von 5 – 25 %.
  • Micro-Influencer: Themenexperten (also Blogger oder Special Interest Influencer) mit Followern im vier- oder fünfstelligen Bereich und einer Engagement Rate von 25 - 50 %.
  • Nano-Influencer: Meinungsführer mit gerade mal drei- bis vierstelligen Followern, die aber in ihrer begrenzten sozialen Gruppe eine sehr hohe Autorität und damit eine extrem hohe Engagement Rate haben (über 50 %).

Bisher habe ich mich immer maßlos darüber aufgeregt, wenn meine ehemalige Kollegin mit ihren 500 Followern jeden Tag zu ihrem aktuellen Bild schreibt, aus welchem Laden Kette, Pulli oder Lidschatten sind. Oder wenn sie das Billighotel aus ihrem Ägypten-Urlaub im Bild markiert und »Werbung, da Markennennung« schreibt, als würden sich die zuständigen Anwälte bundesweit schon die Finger nach einem Meldeverstoß lecken. Vielleicht habe ich ihr ja insgeheim Unrecht getan und sie »arbeitet« tatsächlich als topmoderner Nano-Influencer.

Zusammengefasst erreicht man als Unternehmen mit den Mega-Influencern zwar hohe Reichweiten, muss aber mit großem Streuverlust rechnen. Hier lohnt sich Mut zur Nische: Mit kleineren Influencer-Kategorien können Unternehmen spezifischer ihre Zielgruppe erreichen. Nanos und Micros sind oft glaubwürdiger, nahbarer und emotionalisieren ihre Follower dementsprechend mehr als die »Großen«.

Fazit: Jetzt geht’s erst richtig los

Wenn man den Branchen-Insidern vertrauen darf, ist das Ende der Fahnenstange in Sachen Influencer-Marketing noch lange nicht erreicht. Ich bin mir sicher: Wer die aktuellen Trends verfolgt und für sich nutzt, kann auch Jahre nach Beginn des Influencer-Hypes noch viel bei seiner Zielgruppe bewirken. Allerdings entwickelt sich das Geheimrezept einer erfolgreichen Marketing-Strategie ständig weiter und kommt nie mit der einen, perfekten Herangehensweise zum Stillstand. Wer nicht bei den Perlen des Influencer-Marketings landen möchte, sollte sich einen Ansprechpartner mit Erfahrung im Bereich Culture Content suchen.

Warum? Ganz einfach: Konsumenten nehmen in der Regel nur Empfehlungen von Personen an, denen sie vertrauen. Laut einer Studie vertraut jeder vierte Deutsche den Beiträgen von Influencern – und zwar, wenn diese umfangreiche Produktkenntnisse vorweisen können und authentisch auftreten. Ein Influencer muss sich also mit dem Unternehmen und dessen Werten identifizieren, um glaubwürdig zu sein.

Als klare Handlungsempfehlung ausgedrückt: Um sicherstellen zu können, dass der gewählte Multiplikator zur Marke passt und die Zielgruppe mit seiner Empfehlung wirklich erreicht, müssen Unternehmen zunächst eine klar definierte, authentische Unternehmenskultur haben. Die nicht nur von den Mitarbeitern gelebt wird, sondern auch von einer dritten Partei (zum Beispiel einem Influencer) sofort erfasst und verinnerlicht werden kann. Denn nur, wenn alle, die das Gesicht Ihrer Marke sind, diese Markenidentität glaubwürdig nach außen transportieren, kommt sie auch beim Endkunden an – und kann eine Firma zur Lieblingsmarke machen.